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Thema des Monats Juni

 

Eine Betrachtung der Geschlechter

 

von Stephan Gutte

 

 

Bereits seit vielen Jahren begegnet mir die folgende Frage immer wieder. Sollen Netzwerke, die sich im Kontext mit Trennung und Scheidung bewegen, geschlechtsneutral sein oder geschlechtsspezifisch? Offen gesagt konnte ich dieser Diskussion im Kontext der Beratung nie etwas abgewinnen, so entstand  auch der Vater Rat vor mehr als 7 Jahren.

Hier kann man natürlich aufmerken und anbringen, dass ja der "Eltern Rat" dazugekommen ist. Stimmt, dieser ist mit meinem Arrangement bei KESS Erziehen dazu gekommen. Er beschäftigt sich tatsächlich mit der allgemeinen Erziehungshaltung, unabhängig von Trennung und Scheidung. Hier geht es um die Eltern im Allgemeinen, egal ob Mama oder Papa.
In der spezifischen Trennungsberatung wird der Schwerpunkt (ohne Ausschluss der Mütter) bei den Vätern liegen bleiben. Dies ist und bleibt meine Haltung, und dies wird man auch im Namen wiederfinden. Egal, wie man es dreht und wendet, Papa und Mama sind nun mal nicht gleich. Die Themen sind nicht gleich, die Ausgangslage ist nicht gleich, die Menschen sind nicht gleich. Weit über 80 % der Trennungsfamilien lässt den Vater als umgangsberechtigten Elternteil zurück. Seine Fragen und Themen sind oft anders als bei Müttern. Auch ist die Diskussion und die Beratung eine andere, schließlich gibt es einen Unterschied zwischen Mann und Frau.
Mich erreichen in diesem Kontext oft kritische Töne, dass die Professionen sehr auf die Geschlechterneutralität schauen. Aktuell kann ich das in keiner Weise bestätigen. Meine Elternausrichtung mit Fokus auf den Vater wird im Gegenteil dazu direkt angefragt. Sei es bei der katholischen Familienbildung oder auch bei den frühen Hilfen, wo ich beim Fachtag psychische Gesundheit eine Austauschgruppe mit Vätern vorstellen darf, die ich seit Jahren mit moderieren darf.
Aus meiner Sicht ist die entscheidende Frage, welche Ausrichtung oder Zielgruppe ich als Netzwerk, Gruppe oder Berater habe. Hier unterscheiden sich Beratungsgruppen von Lobbygruppen oder auch Informationsgruppen. Diese Ausrichtung, wie beispielsweise beim Eltern Rat Vater Rat, schließt natürlich nichts aus, aber sie fokussiert sich eben auf ein Themengebiet. Gerade der Bereich der Väterarbeit ist sehr unterbewertet und bedarf aktiver Beteiligung. Sei es in der KESS-Gruppe, wo ich als Mann eine Minderheit darstelle oder in der Familienbildung, wo kaum spezifische Männerangebote angeboten werden. Dieses Thema zieht sich insbesondere auch als Thema in der Landesarbeitsgemeinschaft Väterarbeit, bei der der Eltern Rat Vater Rat Mitglied ist, durch.
Am Ende des Tages ergeben sich nun mal spezifische Fragestellungen und auch Gruppendynamiken, die auf die Geschlechter ausgerichtet sind. Daher wird es das Eltern Rat Vater Rat Netzwerk in dieser Form weiter geben. Es ist in erster Linie ein Beratungsnetzwerk, erst in zweiter Linie ist es auch ein gesellschaftliches Informationsnetzwerk. Es ist aber kein politisch aktives Lobbynetzwerk. Hier kommen wir jetzt zu einem wesentlichen Unterschied.
Nehmen wir etwa das "Netzwerk Getrennterziehend" eines der aktivsten Netzwerke im Kontext von Information und politischer Lobbyarbeit. Dieses Netzwerk ist bewusst geschlechterneutral, da es hier eben nicht vordergründig um Beratung geht, sondern um die Aufklärung, die Information und die politische/gesellschaftliche Einflussnahme. Hier wäre eine geschlechterspezifische Fokussierung im Gegensatz zu der Beratungsausrichtung schädlich. Es würde sofort die Diskussion auf den Geschlechterkampf lenken und die guten Inhalte verdecken.
Abschließend denke ich, dass uns diese Frage noch sehr lange begleiten wird. Auch von den Vereinen aus dem Bereich Trennung und Scheidung hört man seit Jahren, dass es intensive Diskussionen über Namen und Ausrichtungen gibt. Leider wird aus meiner Sicht dabei die inhaltliche Ausrichtung vergessen, es geht nur um den Namen.
Wie ich aufgezeigt habe, halte ich bei einer Beratungsausrichtung die geschlechterspezifische Ausrichtung ohne Ausschluss für sinnvoll. Bei einer gesellschaftlichen/politischen Ausrichtung, die sich eher um die Meta-Ebene bemüht, sollte eine Geschlechterneutralität gegeben sein.