Aus dem Familiengericht
Interessante Entscheidungen, die uns betreffen und ein Verständnis für die deutsche Familienrechtssprengung schaffen.
Juni 2025
Wie entscheidend ist das Jugendamt in familienrechtlichen Verfahren
unter Berücksichtigung des SGB VIII
Immer wieder wird aus meiner Sicht unrichtig auf die Verwendung der §18 SGB VIII geschaut. Oft erlebe ich Diskussionen, als ob man mit diesen Paragrafen ein Jugendamt für den eigenen Fall im familienrechtlichen Sinne in die Pflicht nehmen kann.
Die richtige Antwort darauf lautet: Kommt auf den Einzelfall an.
Klar ist, dass beispielhaft der § 18 Abs. 3 SGB VIII im Kontext eines Umgangsausschlusses eine untergeordnete Rolle spielt, da etwa die Nichtbereitstellung von Umgangshilfen durch das Jugendamt die familiengerichtliche Entscheidung nicht verfassungsrechtlich angreift. Der Fokus liegt auf dem Kindeswohl, und die Zuständigkeitsverteilung zwischen Jugendamt und Familiengericht wird als verfassungsrechtlich zulässig bestätigt.
Hierzu habe ich folgende Entscheidung des BVerfG gefunden:
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13.1.2025 (1 BvR 1454/24) behandelt einen zeitlich befristeten Umgangsausschluss und berührt § 18 Abs. 3 SGB VIII, der die Gewährung von Hilfen durch das Jugendamt bei der Ausübung des Umgangsrechts regelt. Im konkreten Fall wurde die Verfassungsbeschwerde der Mutter, deren Umgang mit ihrem Kind bis 31.12.2024 ausgeschlossen wurde, nicht angenommen. Folgende Punkte sind in Bezug auf § 18 SGB VIII relevant:
Fehlende Entscheidung des Jugendamts: Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt begründete den Umgangsausschluss unter anderem damit, dass begleitete Umgänge, die eine Kindeswohlgefährdung verhindern könnten, mangels geeigneter Umgangsbegleiter nicht möglich seien. Die Beschwerdeführerin (Mutter) wies darauf hin, dass das Jugendamt ihren Antrag auf Hilfen nach § 18 Abs. 3 SGB VIII (z. B. Bereitstellung von Umgangsbegleitern) nicht beschieden habe. Das BVerfG stellte klar, dass dies die familiengerichtliche Entscheidung nicht verfassungsrechtlich angreifbar macht, da die Zuständigkeit des Jugendamts eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit ist. Ein Vorgehen gegen das Jugendamt müsse in einem separaten verwaltungsgerichtlichen Verfahren erfolgen.
Trennung von familiengerichtlicher und verwaltungsrechtlicher Zuständigkeit: Der Beschluss unterstreicht die verfassungsrechtlich unbedenkliche gesetzliche Aufgabenverteilung zwischen Jugendämtern (§ 18 SGB VIII) und Familiengerichten (§ 1684 BGB). Das Fehlen einer Entscheidung des Jugendamts über Umgangshilfen beeinflusst nicht die Rechtmäßigkeit des familiengerichtlichen Umgangsausschlusses, da dieser auf der eigenständigen Prüfung des Kindeswohls basiert.
Kindeswohl als zentrales Kriterium: Die Entscheidung des OLG stützt sich auf die Feststellung, dass unbegleitete Umgänge das geistige und seelische Wohl des Kindes gefährden würden, etwa durch Loyalitätskonflikte aufgrund des hochstrittigen Elternkonflikts. § 18 Abs. 3 SGB VIII wird insofern relevant, als begleitete Umgänge theoretisch geeignet wären, diese Gefährdung zu verhindern, jedoch mangels verfügbarer Begleitpersonen nicht umsetzbar waren.
Kommentar von Stephan Gutte
Wie bereits beschrieben erlebe ich immer wieder Berater, die sehr überzeugend ihre Auffassung der gängigen Rechtslage und Gesetzesabwägung in der Praxis vortragen. Insbesondere, welcher Einfluss das SGB VIII (Kinder und Jugendhilfe) auf ein familienrechtliches Verfahren habe.
Wie man in der o.a. verfassungsrechtlichen Entscheidung klar entnehmen kann, spielt letztlich das fehlende Angebot des Jugendamts (wohl wegen Personalmangel) keine Rolle im familienrechtlichen Verfahren. Warum? Weil in der Abwägung kein Umgang besser ist als unbegleiteter Umgang und die Fragestellung des fehlenden Personals aufseiten des Jugendamts keinen Einfluss auf die familienrechtliche Entscheidung haben kann. Hier steht wie immer das Kindeswohl im Vordergrund.
Daher sehe ich das SGB VIII als wichtiges Instrument, aber nicht als absolute Lösung an. Natürlich sollte man außergerichtliche Lösungsversuche unternehmen. Leistet diese das Jugendamt nicht, bleibt nur verwaltungsrechtlich gegen das Jugendamt zu agieren. Allerdings läuft der familienrechtliche Fall weiter und sollte auch entsprechend bearbeitet werden.
Mai 2025
OLG Braunschweig (AZ.: 1 UF 136/24)
Dieser Grundsatz ist tatsächlich nicht neu, bereits auf Gerichtstagen wurde dies diskutiert. So habe ich erfahren, dass ein BGH-Richter gesagt haben soll:
"Dafür brauchen wir die Politik nicht, das können wir bei der heutigen Gesetzeslage doch direkt umsetzen."
Wenige Monate später kommt dieser Beschluss des OLG Braunschweig rein. Hier zeigt sich wieder, wie viele Hintertüren im Recht offen stehen und wie individuell letztlich immer wieder entschieden werden kann.
Die Leitsätze aus dem Beschluss:
1. Bei der herab Gruppierung im Rahmen des Kindesunterhalts wegen umfangreicher Mitbetreuung kann im Wege einer pauschalierenden Schätzung auf die Annahme zurückgegriffen werden, dass eine Mitbetreuung sich auf etwa 45 % der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben für ein Kind nach § 6 RBEG auswirkt.
2. Bei einer Mitbetreuung von einem Drittel kann eine geschätzte Bedarfsdeckung zu einem Anteil von 15 % angenommen werden.
3. Eine Bedarfsdeckung zu einem Anteil von 15 % rechtfertigt eine herab Gruppierung um drei Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle.
Wichtig ist zu bedenken, dass es nicht unter den Mindestunterhalt geht. Hier findet die Tabelle weiterhin ihre Bedeutung, da es sich ja bei diesem Mindestunterhalt um das Existenzminimum des Kindes handelt.
Hier die Links: